Donnerstag, 26. Mai 2011

Tisch aus Schädeln

TRIO MORTALE Krimi-Stipendiat Rainer Würth auf Spurensuche

Es ist jetzt zehn Jahre her. Rainer Würth war damals Lokaljournalist, als er beschloss, ein Jahr durch die Südsee zu reisen. Das Fernweh hat er danach mit seinem Beruf verbunden: Für große Zeitungen im deutschsprachigen Raum schreibt der gebürtige Pforzheimer Reisereportagen. Und daneben Bücher. Zuerst einen Lyrikband, nach einem literarischen Roadmovie über Neuseeland und einem Reisebuch zur Südsee ist auch ein Krimi entstanden: „Krötenwanderung“ kam 2009 heraus.
Und dieser Krimi ist der Grund dafür, warum Würth nun vier Wochen in Wiesbaden verbracht hat. Er ist einer des mörderischen Kleeblatts, das zurzeit im Literaturhaus Villa Clementine unter einem Dach Spannendes ausbrütet: Das „Trio Mortale“-Arbeitsstipendium beinhaltet nämlich auch, dass die drei Autoren jeweils einen Wiesbaden-Kurzkrimi schreiben sollen, der dann im November vorgestellt und in einem gemeinsamen Band präsentiert werden soll.
Und wie immer auf seinen Reisen, habe er auch diesmal seine Eindrücke in einem „literarischen Skizzenbuch“ gesammelt, erzählt der Autor bei seinem Besuch im Tagblatt. Oft habe er im Café des „großartigen“ Literaturhauses gesessen, und seine Impressionen aufgeschrieben. Welche zählen dazu? Der ganze Bereich von der Taunusstraße ins Nerotal und bis zur russischen Kapelle habe ihn sehr beindruckt, so Würth. Und ein besonderer Tisch, in der Auslage eines Antiquitätenhändlers: „Der bestand aus menschlichen Schädeln und Hirschgeweihen - sehr morbide.“ Also ein toller Fang für einen Krimi-Autor auf Spurensuche.
Rainer Würth mit seinem Krimi-Erstling. Er ist einer der drei derzeitigen Krimi-Stipendiaten in Wiesbaden. Foto: Harald Kaster
Foto: Harald Kaster
Er habe zwar noch nicht angefangen zu schreiben, „aber mir schwebt eine Figur vor - ein Flaneur, der sich zum Psychopathen entwickelt“. Bis Juli soll die Geschichte fertig sein.
Flanieren konnte er selbst auch in den vier Wochen: „Es war ein Riesenluxus, dafür Zeit zu haben“. Die Pressereisen, mit denen er für seine Reportagen sonst unterwegs ist, seien oft vollgepfropft mit Terminen. Auch in Wiesbaden gab es speziell aufs Trio Mortale zugeschnittenes Programm - eine Stadtführung zu Verbrechensschauplätzen zum Beispiel oder ein Besuch im Polizeipräsidium und seinem spannenden Museum - aber dennoch hätten die drei Autoren Zeit zum Recherchieren und zum Austausch gehabt: „Das ist bei diesem Stipendium eine phantastische Möglichkeit.“ Mit Beate Maxian und Brigitte Glaser habe er viel über Handwerkliches gefachsimpelt, erzählt Würth.
Ihm ist es wichtig, dass der Plot gut konstruiert ist, „die Figuren müssen lernen, selber zu laufen“. In „Krötenwanderung“, dem ersten Fall für Kommissar Bruno Kolb, habe er eine filmische Erzählperspektive gewählt, „das ist ganz nah dran“. Entstanden ist das Buch, das am Rande des Schwarzwalds spielt - sehr erdig und eher düster im Ton - auf den Azoren. Dort verbringt Würth oft die Wintermonate. Und dort hat er auch den nächsten Bruno-Kolb-Fall geschrieben, der im August herauskommt: „Wildwechsel“. Schade eigentlich, dass er da den Hirschgeweih-Tisch noch nicht kannte...


Wiesbadener Tagblatt 26.05.2011
Von Birgitta Lamparth